Spätzünder

Goldwing-Fahrerin bei der Abnahme des Helms. Foto: Boris Müller

Sie wird als «fahrendes Sofa» verspottet: die Honda Goldwing. Wer sich auf diese Maschine setzt, versteht sich nicht als Motorradrebell, sondern als sittsamer Mensch, der die Gemütlichkeit mag. Einblicke in eine verschwindende Welt.

Wie Raumschiffe schweben sie herein, angetrieben von sanft brummenden Sechszylindermotoren: kantige Formen, poliertes Chrom, Ledersitze wie Fauteuils, grosse Seiten und Heckkoffer. Auf den Maschinen sitzen behäbige weisshaarige Männer, hinter ihnen oft ihre Frauen, auf einigen Hecks fahren als zusätzliche Gäste Stofffiguren mit.

Wir stehen im freiburgischen Ueberstorf auf dem Parkplatz des Gasthofs zum Schlüssel. Hier nimmt die Frühlingsausfahrt des Goldwing-Club Schweiz ihren Anfang, Abfahrt pünktlich um 10 Uhr. Aus der ganzen Schweiz reisen die «Winger» auf ihren fahrenden Sofas an. Zum Mittagessen will man im Restaurant Biberenbad in Biberen sein – im Stammlokal der Berner Sektion des Clubs.

Noch aber plaudern Männer und Frauen, einige mit bestickten Gilets über der Motorradkleidung, auf der Terrasse des Restaurants, viele rauchen. Einer hantiert auf dem Parkplatz mit einer Fahnenstange, die er für die Vereinsfahne an seinem Motorrad anbringen will. Neben ihm steht seine Partnerin im exakt gleichen Outfit wie er und schaut ihm zu. Hinter dem Parkplatz grasen Kühe, es riecht nach feuchtem Gras und kalter Morgenluft.

Plötzlich braust eine schmächtige Gestalt heran, unter ihrem Helm flattern zwei künstliche Zöpfe. Wer gerade auf dem Parkplatz steht, begrüsst sie überschwänglich. Sie lässt den einen oder anderen Spruch fallen. Goldwing-Fahrerinnen sind selten. Trix Boos ist eine von ihnen.

Trix Boos

Blöde Sprüche hat sie sich schon viele anhören müssen. Besonders damals in Marseille, als ihre Goldwing mitten auf einer Kreuzung kippte und sie sie nur mit fremder Hilfe wieder aufstellen konnte. Als ich Trix Boos bei einem Ausflugsrestaurant am Rande Zürichs erstmals treffe, fährt sie in einem Pick-up-Truck in der Grösse eines Kleinlasters vor. Aus dem Wagen klettert eine zierliche Frau, Lockenkopf, Brillengläser, schelmischer Blick, 66 Jahre alt und vierfache Grossmutter. «Im Wagen kann ich notfalls auch einen Schneepflug verstauen», sagt sie. Trix Boos arbeitet als Hauswartin.

Schon früh habe sie Töff fahren wollen, sagt Trix – fiel mit 19 jedoch durch die Prüfung. Weil sie kurz danach Mutter wurde, verzichtete sie vorerst darauf. Als die Kinder alt genug waren, liess sie ihren Traum wieder aufleben, sie war mittlerweile 42 Jahre alt. Den Slalom, der für die technische Prüfung gefahren werden musste, hatte sie mit einem Ländlerwalzer im Ohr geübt. Für die Prüfung behielt sie diese Praxis bei. «Meine Goldwing hat sechs Boxen», sagt sie stolz.

Meist höre sie Country-Musik und alte Schlager. «Ich passe die Musik der Landschaft an.» Sie zückt ihr Handy und zeigt Fotos von Stickereien, die sie für sich und andere Club-Mitglieder kreiert hat. Ihre Mutter habe sich einmal beklagt, dass sie mit ihr keine Tochter, sondern einen weiteren Buben bekommen habe. «Als Goldwing-Fahrerin braucht man breite Schultern», sagt Trix. Und – zumindest in ihrem Fall – auch hohe Schuhe: Damit sie auf der Goldwing mit den Füssen den Boden erreicht, hat sie die Sohlen erhöhen lassen.

Jeden ersten Freitag des Monats trifft sich der Zürcher Stamm im Restaurant Türmli in Watt bei Regensdorf. Als der Fotograf und ich das hintere Säli betreten, herrscht schon ein aufgeregtes Durcheinander. Rund 40 Leute plaudern und lachen, manche stochern in den Nüdeli, andere nippen an einer Rivella. Kaum jemand trinkt Alkohol.

Er hätte lieber Pommes frites zum Schnitzel gehabt, sagt einer. «Unsere Mitglieder sind Mechaniker, Schreiner, Glaser, Chauffeure, ein ehemaliger Banker, Spengler, ein Ex-Polizist», sagt Hanspeter Lüdin, neben dem ich Platz genommen habe. Lüdin ist Präsident des Goldwing-Clubs Schweiz und von Basel angereist. Mir gegenüber sitzen Beat Daum als erster Stammwirt und Fredy Batliner, zweiter Stammwirt und Mitgliederbetreuer.

«Wir sind gemütliche Menschen», sagt Batliner. Neben ihm schiesst seine Frau Katja mit ihrem Handy Bilder des Treffens, vor allem aber von uns Medienleuten. Harley-Fahrer hingegen seien meist laut, man höre sie stets von Weitem, ist man sich einig. «Harley-Fahrer haben Bienen im Kopf», findet Daum. Hinter dem Windschild einer Goldwing könne man locker eine Pfeife dampfen, meint einer grinsend.

Daum beginnt von all den Extras zu erzählen, die sich anbringen lassen: Lämpchen, Hörner, Schalter für dies und das, vor allem aber zusätzliche Lautsprecher. Um mehr Gepäck zu transportieren, statten einige Besitzer ihre Maschinen mit einer Anhängerkupplung aus – und nehmen so auch mal ein Haustier auf die Reise mit. Manche würde ebenso viel Geld in die Anbauteile stecken, wie die Goldwing sie gekostet hat, sagt er. Andere hätten so viele Lämpchen montiert, dass sie Gefahr laufen, von der Polizei gebüsst zu werden.

Plötzlich werden Handys gezückt und Videos von Lichterparaden gezeigt: Lange Goldwing-Konvois mit Hunderten Fahrern, die an Zuschauerreihen entlang paradieren, während all die zusätzlichen Lichter eingeschaltet sind. Es leuchtet, blinkt und tutet wie an der Chilbi. Lichterparaden seien die Highlights der internationalen Treffen, sagt Katja Batliner.

«Wir Goldwing-Fahrer sind Aussenseiter», sagt Lüdin neben mir.

Werner Märchy montiert die Clubfahne an seinem Motorrad. Foto: Boris Müller
Werner Märchy montiert die Clubfahne an seinem Motorrad. Foto: Boris Müller

Beat Daum

Beat Daum stand kurz vor der Pensionierung, als er sich entschied, seine 1800er-Goldwing zu verkaufen. Heute fährt er ein Reverse-Trike – eine dreirädrige Goldwing: zwei Räder vorne, eins hinten. «Meine Partnerin schläft meist ein, wenn wir unterwegs sind», sagt er und rührt im Kaffee – wir befinden uns auf der Terrasse einer Bäckerei in Geroldswil. Wer Daum je begegnet ist, vergisst ihn nicht: wacher Blick, markante Gesichtszüge, Stoppelhaarschnitt.

Der gelernte Spengler, 71 Jahre alt, war Scharfschütze im Militär, Kampfsportler, Schiessexperte. Er arbeitete als Personenschützer und Privatchauffeur, Barchef in Privatclubs mit Kontakt zu Prominenz wie Jackie Onassis und Gunter Sachs und zuletzt als Lieferwagenchauffeur. Als erster Stammwirt der Zürcher Goldwing-Sektion ist er das Bindeglied zwischen Stamm und Club-Vorstand. Im Widerspruch zu seinem harten Äusseren wirkt er im Gespräch sanft und zugänglich.

Wie Trix Boos hat auch er erst als 40-Jähriger mit Motorradfahren begonnen. Unterdessen habe er auf Goldwings eine halbe Million Kilometer zurückgelegt, allein 2018 waren es 30’000 Kilometer.

«Goldwing-Fahrer sind gesellige Leute», sagt er. Aber auch bei ihnen gebe es Exzentriker; den Werner Märchy und seine Partnerin Emma zum Beispiel. Ihr Verhalten sei ihm manchmal fremd, dennoch gehören sie für ihn ebenso zum Club wie andere. Als ich ihm sage, dass ich Märchy als Nächstes treffe, verdreht Daum die Augen: «Oh!»

Werner Märchy und Emma Oberlin

Manchmal trägt Werner Märchy Damenstiefel. «Die Motorradkleidung muss zum Motorrad passen. Da macht es mir nichts aus, Frauenkleider zu tragen», sagt der 66-Jährige und schaut schelmisch aufs Tischtuch. Neben ihm sitzt seine Partnerin Emma Oberlin, sie verzieht keine Miene. Wir sitzen in einem Seehotel in Kastanienbaum, beide tragen erlesene, sorgfältig aufeinander abgestimmte Kleider, Emma hat die frisch frisierten Haare hochgesteckt, die Lippen und Augen sind geschminkt, der Lidstrich reicht über die Augen hinaus. Sie lieben beide das Schöne, sagt sie. Den meisten Menschen sei das Bewusstsein für Stil leider verloren gegangen.

«Ich wuchs arm auf», sagt Werner. Ein Auto hätten sie sich nicht leisten können, deshalb sass er schon als junger Mann auf dem Motorrad. Obwohl sie Exzentriker seien, sei er im Herzen ein Vereinsmensch, sagt er. Als Fähnrich des Goldwing-Clubs besitzt er die offizielle, drei Meter lange Club-Fahne, die er zu Hochzeiten und Beerdigungen mitnimmt.

«Eigentlich müssten wir einen eigenen Goldwing-Club gründen», sagt Emma und Werner stimmt ihr zu – einen Club, in dem auch anderes als Cordon-bleu gegessen werde. In dem man sich hübsch mache fürs Abendessen. In den Töffkleidern dinieren, das passe nicht zum luxuriösen Erscheinungsbild der Goldwing. «Ich weiss, dass Emma und ich von den Club-Mitgliedern manchmal schief angeschaut werden», sagt er. Aber er möge eben die Provokation. «Ich habe keine Feinde – ich habe Neider.»

Goldwing-Fahrer an einer Kreuzung vor einen Christus-Kreuz. Foto: Boris Müller
An der Kreuzung. Foto: Boris Müller

Aus den Lautsprechern dröhnt «We Built This City» von Starship – es folgt ein 80er-Jahre-Hit auf den anderen, als wir durch die Freiburger Hügellandschaft rollen. «Radio Spree», sagt Roli Moll trocken. Ich darf auf dem Sozius mitfahren; auf Drängen des Ehrenpräsidenten und Organisators Walter Zbinden hat sich Moll grummelnd dazu bereit erklärt.

Die Maschine, auf der ich sitze, sieht aus, als wäre sie frisch vom Produktionsband gerollt und noch keinen Meter gefahren: Die goldene GL1500 aus dem Jahr 1991 hat keine Scharte und keine Delle. Molls GL1500 ist ein Klassiker – so stellt man sich eine Goldwing vor.

Über der Motorradjacke trägt er ein abgegriffenes Wildledergilet mit Fransen, die im Wind flattern. Trotz der Kälte fährt Moll ohne Handschuhe. Er spüre das Motorrad so besser, brummt der 65-Jährige. Sonst sagt er nicht viel: Moll gehört zu den wortkargen Fahrern und geniesst einfach die Fahrt.

Wir befinden uns knapp hinter der Spitze des aus 25 Goldwings bestehenden Konvois. Zuvorderst fährt Walter Zbinden, der weiss, wo es langgeht. Hinter ihm sitzt seine Frau und gibt Zeichen: Streckt sie den Arm nach links, muss der nächste Töff die linke Einfahrt sperren, beide Arme ausgestreckt bedeutet, dass beide Seiten gesperrt werden müssen. Fährt der Konvoi durch einen Kreisel, werden alle Zufahrten blockiert. «Das ist zwar nicht legal», sagt Zbinden später, aber Probleme hätten sie deswegen noch nie gehabt. Auch dem heutigen Tross begegnen die Leute mit Sympathie: Passanten winken, lachen, bleiben stehen. Roli Moll und ich winken auch, man kann nicht anders.

Als die Honda Goldwing 1974 präsentiert wurde, hob sie nicht sofort ab. Trotzdem sorgte sie an der Internationalen Fahrrad- und Motorradausstellung in Köln für Besucherschlangen: Die Grand Luxe, kurz GL1000, mit dem wassergekühlten Vierzylindermotor und einem Antrieb mit Kardanwelle statt Kette war ein technisches Meisterwerk. Der unter dem Sitz platzierte Tank prädestiniert das von Shoichiro Irimajiri designte Fahrzeug für längere Touren.

Noch aber fehlten dem Motorrad die typische Verschalung, die Sattel- und Hecktaschen sowie der Windschild. Als «Auto auf zwei Rädern» wurde sie dennoch verspottet. Fünf Jahre später rollte dann das erste «fahrende Sofa» vom Band – die GL1100 Interstate.

Nun hatte das Motorrad die typische Verkleidung, bequeme Fauteuilsitze, viel Stauraum, eine Luftfederung und ein optionales Soundsystem. Mit der GL1100 brach das Zeitalter der schweren Reisemotorräder an, der «Supertourer». Zu Berühmtheit gelangt der Argentinier Emilio Scotto: 1985 brach er mit seiner GL1100 zu einer Reise rund um die Welt auf. Nach zehn Jahren hatte er 780’000 Kilometer zurückgelegt, 232 Länder und Regionen besucht und einen Weltrekord aufgestellt.

Mit jeder neuen Modellreihe wurde die Maschine ausgefeilter, breiter und schwerer: Sie erhielt Einspritzmotoren, Tempomaten, selbstausgleichende Hinterradfederungen, einen Tripcomputer. 1988 kam der Rückwärtsgang und damit die ultimative Nahrung für den Spott von anderen Motorradfahrern. Er ermöglichte es jedoch weniger kräftigen Fahrern, das 390 Kilogramm schwere Fahrzeug zu manövrieren.

Vor der Frühlingsausfahrt des Schweizer Goldwing-Clubs. Foto: Boris Müller
Vor der Frühlingsausfahrt des Schweizer Goldwing-Clubs. Foto: Boris Müller

Markus Frühauf

Markus Frühauf ist der Kilometerfresser: Die Distanzen, die er und seine Frau zurücklegen, lösen selbst bei geübten Fernfahrern Respekt aus. «Das Navigationssystem meiner alten Goldwing zeigte zwischen den Jahren 2012 und 2020 eine Viertelmillion Kilometer», sagt er und beisst genussvoll in die Pizza. Der Immobilienbewirtschafter hat gerade Mittagspause und Zeit, in einem Restaurant in Schlieren über sich zu erzählen.

Wer seinem Facebook-Profil folgt, bekommt allerdings nicht den Eindruck, dass er viel arbeitet. Jeden Tag scheint er unterwegs zu sein. Er publiziert Dutzende Fotos und ausführliche Beschreibungen der Ausflüge, die er mit seiner Lebenspartnerin Mägi unternimmt. Einst sei er 1100 Kilometer am Stück gefahren, er besitze mittlerweile seine achte Goldwing. Er habe eine gewisse Unruhe in sich, gibt der 63-Jährige zu und lächelt, als müsse er sich dafür entschuldigen.

Selbst ein Unfall bringt ihn nicht zum Stillstand. «2005 stürzte ich mit der Goldwing auf der Fahrt nach Italien und krachte beinahe in eine Mauer. Ich stellte das Motorrad auf und fuhr weiter ans Treffen, wo ich mich mit Schmerzmitteln betäuben liess.» Wieder zu Hause, habe der Arzt ein gebrochenes Wadenbein und drei gebrochene Rippen festgestellt.

Hanspeter Lüdin

Der Präsident des Goldwing-Clubs Schweiz ist gerade von zwei Treffen in Slowenien und Österreich zurück, als ich ihn in seinem Zuhause in Aesch besuche, wo er mit seiner Frau, seiner Tochter und zwei Katzen im Parterre eines Mehrfamilienhauses wohnt. Unter dem Vordach seiner Wohnung, neben dem Pool und dem Gasgrill, stehen zwei Goldwings und eine Werkbank. Er schraube selbst an den Motorrädern und helfe auch anderen.

Früher sei er nur Vespa gefahren, bis ein Freund ihn dazu überredete, sich eine Goldwing zu kaufen. Das war 2007. Zwei Jahre später übernahmen Lüdin und der Freund den Basler Stamm. «Das war ein Saftladen, da enterten wir ihn und übernahmen kurz und bündig die Ämter des 1. und 2. Stammwirts», sagt er mit schelmischem Blick.

Lüdin trägt im Club mehrere Namen. «Böpperli» nennen ihn die meisten, manchmal auch «Pips». Seit 2021 amtiert er als Club-Präsident, seine Tochter kümmert sich ums Sekretariat. Als Präsident sorge er dafür, dass der Club zusammenhält, er kenne fast jedes der rund 290 Mitglieder mit Namen. «Wäre jeder Goldwing-Fahrer auch Club-Mitglied, hätten wir über 1000 Leute», sagt er. Manchmal stecke er ein Kärtchen hinter die Windschutzscheibe einer Goldwing, deren Besitzer er nicht kennt.

«Viele von uns lieben die Show.» Wäre es anders, würden Goldwing-Fahrer nicht so viele, manchmal nicht ganz legale Lämpchen an die Motorräder bauen, sagt Lüdin trocken. Es sei wie an der Basler Fasnacht, an der er in der Clique «Pub-Rueche» selbst auf einem Wagen als Waggis mitmacht: Die Leute würden in Zweierreihen Spalier stehen. Ein Treffen in Rom nennt er als eines der grossen Highlights seiner Goldwing-Zeit. Die Autobahn nach Rom sei extra für die über 250 Goldwings gesperrt worden, auf einer Tafel stand: «Welcome Goldwingers». «So etwas kannst du in der Schweiz vergessen», sagt Lüdin. «Leider fehlt uns der Nachwuchs an jungen Fahrern.»

«Wir sterben aus», sagt Walter Zbinden. Die Mitgliederzahl begann vor rund zwanzig Jahren zu sinken – einst zählte der Club über 600. Mehr als die Hälfte ist heute über 55 Jahre alt, zwanzig Prozent der Mitglieder haben einen Jahrgang in den 1940er-Jahren. Der älteste aktive Fahrer ist 82. Zbinden, 67 Jahre alt und ehemaliger Club-Präsident, sieht die Mitgliederzahlen nicht nur wegen des Zeitgeistes schwinden, sondern auch wegen des Preises. Ein 2022er-Modell mit Koffern ist in der Basisversion ab 34’690 Franken erhältlich. Viele Junge wünschen sich hingegen günstige, schnelle und wendige Motorräder als Alternative zum teuren Auto.

«Die Bedingung für eine aktive Mitgliedschaft ist lediglich der Besitz einer Goldwing – egal, ob sie gefahren wird», sagt er. Es bestehe keine Pflicht, mitzumachen. Die Statuten besagen zudem, dass der Club politisch und religiös unabhängig ist. Zbinden sagt: «Wir haben Leute aus allen Lagern», und fügt nach einer kurzen Pause lächelnd an: «Die meisten sind einfach nicht so grün.»

Wenn batteriebetriebene Goldwings Reichweiten von 300 oder mehr Kilometern schaffen, würde er selbst sofort umsteigen. Skeptischer zeigt sich Werner Märchy, seines Zeichens Fähnrich. «Der Sound wäre nicht mehr da und das Schalten fehlt», findet er. Frühauf hingegen findet, die Lautstärke spiele keine Rolle. «Wenn der Motor zu laut ist, hören wir die Musik nicht mehr», sagt er schmunzelnd.

Die Frühlingsausfahrt kommt an ihr Ende in Biberen. Mit dröhnenden Lautsprechern schweben die Winger auf ihren Raumschiffen aufs Parkfeld und stellen ihre Maschinen fein säuberlich Seite an Seite. Manche schreiten gleich zum Apéro mit anschliessendem Mittagessen, andere stehen noch auf dem Parkplatz, plaudern über die Fahrt oder fachsimpeln über ihre Maschinen. Zbinden tritt an Roland Moll heran, um sich zu erkundigen, wie es war mit mir auf dem Sozius. «Ich habe nichts gespürt, den nehme ich wieder mit», sagt Moll trocken und schreitet mit den wippenden Fransen zum Apéro.

Der Winger Roli Moll auf seiner makellosen 1992er-Honda Goldwing. Foto: Boris Müller
Roli Moll auf seiner makellosen 1992er-Honda Goldwing. Foto: Boris Müller
Aufdruck auf dem Fransen-Gilet eines Goldwing-Fahrers.
Aufdruck auf Roli Molls Fransen-Gilet. Foto: Boris Müller

© Texte: Jan Graber, Fotos: Boris Müller. Juli 2023